Eine Frage der Haltung

Wenn Gründer sich aus dem aktiven Geschäft zurückziehen

Hinter den meisten herausragenden Unternehmen steht eine talentierte und außergewöhnliche Persönlichkeit, die dieses mit Weitsicht und Kompetenz aufgebaut hat. Bei Apple ist das Steve Jobs, bei Amazon Jeff Bezos und bei Tesla Elon Musk. Der Abgang solcher „Chefs“ und Visionäre ist kein leichtes Unterfangen. Gründer haben oft nicht nur klare Vorstellungen, wie das Unternehmen geführt werden sollte. Ihre hohe finanzielle Beteiligung erschwert das Loslassen zusätzlich. Sie müssen es schaffen, weiter zum Unternehmenserfolg beizutragen, ohne ihre Nachfolger auszubremsen. Das ist eine echte Herausforderung.

1,93 

Weltweit betrug das Volumen von „Mergers&Aquisitions“-Deals im Jahr 2022 in etwa 3,4 Billionen US-Dollar. Diese Summe verteilte sich dabei auf rund 50 000 M&A Deals. Der Europa betreffende Teil der Deals hatte einen Transaktionswert von 1,93 Billionen US-Dollar.

Quelle: Statista

Ebenso ist es wichtig, eine neue Art der Gouvernance zu akzeptieren oder zu begleiten. Schließlich kommen mit neuen Leadern auch andere Herangehensweisen was die Führung und Strukturen des Unternehmens angeht. Bekommen Nachfolger keine echte Chance zur Veränderung ist sehr oft das Scheitern vorprogrammiert. Dessen müssen sich besonders starke Persönlichkeiten im Umgang mit ihren Nachfolgern bewusst sein.

Erkennen, dass es im Lebenszyklus eines Unternehmens Momente gibt, die Veränderung nötig machen.

 

Neue Methoden

Als Erstes gilt es ehrlich einzuschätzen, wann die Zeit eines Gründers im Unternehmen – im positiven Sinne des Wortes – abgelaufen ist. Braucht das Unternehmen die Begeisterung und Inspiration eines Gründers noch oder steht es inzwischen vor anderen Herausforderungen? Die Steuerung quasi aller Abläufe durch den Gründer, die in den Anfangsphasen der Unternehmensentwicklung unverzichtbar ist, kann, wenn das Unternehmen wächst, bremsend wirken. Schließlich müssen auch Unternehmen, die schon lange bestehen, modernisiert werden, um neue Herausforderungen meistern zu können. Kluge CEOs erkennen, dass es im Lebenszyklus eines Unternehmens Momente gibt, die Veränderung nötig machen. Manche dieser Veränderungen kann der Firmenchef nicht selbst steuern. Eben weil neue Kompetenzen und Herangehensweisen gebraucht werden; etwa in Bereichen wie den sozialen Medien, dem elektronischen Handel oder der Digitalisierung. Neue Herausforderungen bedürfen neuer Methoden, auch auf Führungsebene.

Neue Herausforderungen bedürfen neuer Methoden, auch auf Führungsebene.

 

Andere Aufgaben

Interessant ist ein weiterer Aspekt: Der Aufbau eines Unternehmens ist eine schwierige und anstrengende Aufgabe. Gründer sind für alles verantwortlich, engagiert und haben oft sehr lange Arbeitszeiten. Sie nehmen sich kaum Zeit, um abzuschalten und bekommen kaum Distanz zur Firma. Irgendwann kommt dann die Zeit, sich neu zu orientieren, sich zum Beispiel wieder stärker ihrer Familie zu widmen und eine Auszeit zu genießen. Bezos gab so im Juli 2021 bekannt, dass er als CEO von Amazon, das er in 27 Jahren von einem Online-Buchgeschäft in einer Garage zu einem der weltweit größten Konzerne gemacht hatte, zurücktreten werde. In seiner neuen Position als geschäftsführender Verwaltungsratsvorsitzender widmet sich Bezos nun neuen Produkten und Projekten im Anfangsstadium. Bill Gates bei Microsoft, Jack Ma bei Alibaba und Sergey Brin bei Google trafen ganz ähnliche Entscheidungen.

 

Ein solcher Übergang ist mit Sicherheit nicht einfach. Es gibt viele Beispiele für Gründer, die die Kontrolle abgaben, dann feststellten, dass ihnen die Art und Weise, wie der oder die „Neue(n)“ ihr Unternehmen führten, nicht passten. Sie nahmen das Ruder wieder selbst in die Hand. Ma zog die Kontrolle über sein Unternehmen wieder an sich, als er mit der Arbeit seiner Nachfolger unzufrieden wurde. Jobs, der 1985 aus dem Unternehmen gedrängt worden war, kehrte 1997 durch den Kauf seines neuen Projekts, des Softwareunternehmens NeXT, wieder zurück, als Apple kurz vor der Insolvenz stand.

 

Den Richtigen finden

Die Wahl des richtigen Nachfolgers sollte für Gründer, die sich zurückziehen wollen, die oberste Priorität sein. Dabei ist es ratsam, der Versuchung zu widerstehen, sich für jemanden zu entscheiden, der ihnen selbst zu sehr ähnelt. Der passende Kandidat muss zwar die gleiche Tatkraft und das gleiche Engagement an den Tag legen, sollte aber möglicherweise über andere Kompetenzen verfügen.

 

Viele Gründer zeichnen sich durch hervorragende technische Fähigkeiten aus, die ihnen dabei geholfen haben, die Geschäftschance zu erkennen, doch ihr Nachfolger wird mehr betriebswirtschaftliche und organisatorische Fähigkeiten benötigen. Zudem braucht der neue CEO diplomatisches Geschick, um den Übergang zur erleichtern. Wer dieser Aufgabe am besten gewachsen ist, hängt unter Umständen auch wesentlich davon ab, an welchem Punkt sich das Unternehmen befindet.

Ganz entscheidend ist es, klar zu definieren, wie der scheidende CEO künftig eingebunden werden soll.

 

Ganz entscheidend ist es, klar zu definieren, wie der scheidende CEO künftig eingebunden werden soll. Wird er die Rolle eines „Weisen“ übernehmen oder konkrete Aufgaben übernehmen? Das muss geklärt werden. Sich auf eine Mitarbeit in den Bereichen Innovation und strategische Planung zu beschränken, wie Bezos es getan hat, kann eine Lösung sein, die Gründern eine sinnvolle Möglichkeit bietet, ihre Talente und ihre Kreativität einzubringen. Sie dürfen jedoch keinesfalls in die Abläufe des Tagesgeschäfts eingreifen. Wie bereits erwähnt: Entscheidend sind klare Fronten. Jeder muss wissen, wer für was verantwortlich ist.

 

Fragen stellen

Darüber, wie sich ein Gründer als Gesellschafter sinnvoll ins Unternehmen einbringen kann, gibt es eine Menge Literatur. In einem aktuellen Bericht hält der Personaldienstleister Korn Ferry fest, dass eine Person in dieser Rolle ihre weitreichende und fundierte Führungserfahrung einbringen und so die richtigen Fragen stellen kann. Laut Korn Ferry muss er allerdings auch auf Kommunikation setzen und zuhören können. Einen wichtigen Aspekt sollte ein scheidender CEO nicht aus den Augen verlieren: Als Verwaltungsratsmitglied vertritt er die Interessen aller Aktionäre eines Unternehmens und nicht nur die der aktiv an der Unternehmensführung Beteiligten. Er hat irgendwie die Seiten gewechselt. Ein solcher Übergang ist trotz aller guten Absichten meist komplex und mit emotionalen Herausforderungen verbunden, daran besteht kein Zweifel.

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